Im Januar 2022 hatte das LG München entschieden, dass die Einbindung von Google Fonts ohne Einwilligung der Besucher datenschutzwidrig ist. Google Fonts bietet eine Auswahl von Schriftarten, die ein Webseitenbetreiber statisch oder dynamisch in seine Webseiten einbauen kann. Besuchen Nutzer eine solche Internetseite mit dynamischer Einbindung einer Google-Fonts-Schriftart, wird eine Verbindung zu Google-Servern aufgebaut. Datenschutzrechtlich und persönlichkeitsrechtlich ist diese Einbindung kritisch. Das Landgericht München entschied daher 2022, dass dem Kläger (Seitenbesucher) gegen die Websitebetreiberin ein Anspruch auf Unterlassung der Weitergabe seiner IP-Adressen an Google (§ 823 Abs. 1 i.V.m. § 1004 BGB analog) zusteht. Die unerlaubte Weitergabe der dynamischen IP-Adresse des Klägers an Google verletze dessen allgemeines Persönlichkeitsrecht in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts nach § 823 Abs. 1 BGB. Zusätzlich sprach das Landgericht München dem Kläger Schadensersatz in Höhe von 100 Euro zu (Art. 82 Abs. 1 DSGVO) zur Kompensation seines „schlechten Gefühls“ beim Seitenbesuch zu. Soweit die DSGVO und das Deutsche Datenschutzrecht.
Nun dauerte es nicht lange, bis sich Trittbrettfahrer auftaten, um im großen Stil diesen „immateriellen Schadenersatz“ abzugreifen. Im Herbst 2022 erhielten tausend Website-Betreiber innerhalb kurzer Zeit Schreiben mit Zahlungsaufforderungen von zwei Anwälten. Gegenstand war die Einbindung von Google Fonts auf ihren Webseiten. Gefordert wurden 170,- Euro, damit weitere rechtliche Schritte unterbleiben. Auch viele private Ferienhausvermieter waren von solchen Schreiben betroffen und hatten sich diesbezüglich hilfesuchend an den Deutschen Ferienhausverband gewandt, der schon damals riet: auf keinen Fall zahlen!
Betroffene Kläger haben die Webseiten mit Google Fonts nicht selbst besucht
Nun hat das Landgericht München im März 2023 dem Abmahntreiben einen Riegel vorgeschoben und geurteilt, dass die Abmahner keinen Unterlassungsanspruch gegen die Webseitenbetreiber wegen Einbindung von Google Fonts haben. Die betroffenen Kläger haben die Webseiten mit Google Fonts gar nicht selbst besucht, sondern technische Crawler eingesetzt, die dann wiederum eine Liste mit Webseiten mit solch einer dynamischen Einbindung von Google Fonts erstellt haben. Daher könne es aber auch keinen Schadenersatz wegen des „schlechten Gefühls“ geben, das Art. 82 DSGVO mit einem Schadenersatzanspruch belegt. Der klagende Webseitenbetreiber geht sogar noch weiter und sieht – unseres Erachtens zu Recht – im Vorgehen der Abmahner einen gewerbsmäßigen Betrug, weil im Abmahnschreiben an die Webseitenbetreiber suggeriert wird, dass der Abmahner die Webseite mit Google-Fonts-Einbindung persönlich besucht habe.
Bei Einsatz eines Crawlers könne aber keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts vorliegen (LG München I, 4 O 13063/22). Die Staatsanwaltschaft ermittelt bereits wegen gewerbsmäßigem Betrug, welcher immerhin einen Verbrechenstatbestand mit hoher Strafandrohung darstellt. Ferienwohnungsvermieter können sich in jedem Fall entspannen und die Abmahnung wegen Google Fonts endgültig in den Papierkorb befördern.
(Deutscher Ferienhausverband, 24.4.2023, Rechtsanwalt Göran Holst)