Gutscheine können nur Teillösung sein.
Die Auswirkungen der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie treffen die deutsche Tourismuswirtschaft und speziell die mittelständischen Unternehmen aus dem Ferienhaustourismus mit besonderer Härte: Einmal verlorene Buchungen lassen sich nicht zu einem späteren Zeitpunkt neu verkaufen, die Umsätze sind verloren. Durch die bestehende Unsicherheit, ob der touristische Betrieb noch vor Beginn der Sommersaison wieder anlaufen kann, steht die Branche vor einer ungewissen Zukunft. Sofortmaßnahmen sind daher dringend notwendig, um die Unternehmen zu stützen, die akut in ihrer Existenz bedroht sind, Arbeitsplätze zu erhalten und den Ferienhausurlaub als eine der beliebtesten Urlaubsformen zu erhalten.
Die bisherigen beschlossenen Hilfen lassen das Gros der Ferienhausvermittler und -vermieter außen vor.
Die derzeit drängendsten Probleme sind der unkontrollierte Mittelabfluss, verursacht durch Massenstornierungen und dadurch bedingte Rückzahlungen an die Urlauber sowie der vollständige Wegfall der Umsätze aus Provisionen für den geleisteten Service. Beides bedroht die Liquidität der betroffenen Unternehmen akut und kann – angesichts der ungewissen Lage – auch nicht durch Buchungen für die Pfingstferien oder die Sommersaison aufgefangen werden.
Im Gegenteil: Sollten die behördlichen Auflagen andauern, ist mit einem Komplettverlust der Buchungssaison zu rechnen.
Um unsere Situation besser zu verdeutlichen, möchten wir den Vergleich zum produzierenden Gewerbe ziehen:
Die Aufträge bis in den Sommer sind zu einem Großteil bereits eingegangen. Vermittlungsportale und Agenturen haben ihre Leistungen bereits voll erbracht (analog zu einem produzierenden Betrieb wären das z. B. Einkauf, Produktion und Marketing). Ein Teil der Anzahlungen sind eingegangen.
Durch die Pandemie passiert Folgendes:
a) wir dürfen die Ware aufgrund behördlicher Erlasse nicht ausliefern
b) wir müssen die Ware entsorgen, da sie nicht lagerbar, sondern vergänglich ist) statt weiterer dringend benötigter Einnahmen (Restzahlungen) zu generieren, müssen wir die Anzahlungen zurückerstatten
=> das wäre in etwa vergleichbar, wie wenn VW aufgrund behördlicher Anweisungen gezwungen wäre, alle bestellten und bereits produzierten Autos auf eigene Kosten zu vernichten und die geleisteten Anzahlungen auf einen Schlag zurückzuerstatten.
Der aufgespannte Rettungsschirm für den Tourismus lässt Ferienhausvermittler und -agenturen sprichwörtlich im Regen stehen!
Der Deutschlandtourismus ist vielfältig und bezieht seine Stärke aus den unterschiedlichen Geschäftsmodellen und Angeboten. Das macht es zugleich aber auch schwierig, eine Standardlösung für alle Betroffenen zu finden. Vermittlungsportalen und Agenturen hilft die soeben beschlossene Gutscheinlösung nicht, die lediglich Verträge abdeckt, die dem Reiserecht unterliegen. In der Ferienhausbranche dominieren aber Individualverträge nach dem Mietrecht. Das heißt, die getroffene Maßnahme ist wichtig und richtig. Große Teile der deutschen Reisebranche – der Ferienhausmarkt nimmt 25 Prozent am Gesamtübernachtungsmarkt ein – bleiben somit außen vor.
Eine Gutschein-Lösung lässt sich auch nicht ohne weiteres auf den Vermittlungsmarkt übertragen: Anders als bei Reiseveranstaltern werden keine Kontingente eingekauft, die beliebig an die Urlauber weitervermittelt werden können. Der Vermittler vermittelt im Auftrag des Vermieters eine Buchung, auf deren Basis ein Einzelmietvertrag zwischen Urlaubsgast und Vermieter geschlossen wird. Dafür erhält der Vermittler eine Provision. Er selbst ist aber nicht Vertragspartner des Urlaubers.
Der Vermittler hat keinerlei Einfluss darauf, ob das gebuchte Haus zu einem späteren Zeitpunkt zur Verfügung steht. Er kann auch in der Regel nicht auf ein anderes Haus umbuchen, weil dies einem anderen Vermieter gehört, der in keinem Vertragsverhältnis mit dem Urlauber steht, für den ein Gutschein aufgrund eines erzwungenen Stornos ausgegeben werden müsste. Aus diesem Grund muss ein anderer Weg gewählt werden, um die existenzbedrohenden Verluste der betroffenen Unternehmen aufzufangen.
Wir fordern daher als Sofortmaßnahmen:
- Zur Absicherung der Ferienhausvermittler und -agenturen wird ein Notfallfonds eingerichtet, aus dem die durch die Corona-Krise bedingten Umsatzausfälle aus Provision erstattet werden. Geltend gemacht werden können Umsatzverluste, die wegen der Stornierung aufgrund behördlicher Anordnungen in der Corona-Krise vorgenommen werden mussten und deren Buchung vor Beginn der jeweiligen behördlichen Auflagen stattgefunden hat.
- Eine bundeseinheitliche Klarstellung, dass auch Vermieter von Ferienwohnungen, die durch den Verlust von Buchungen durch behördliche Auflagen in existentielle wirtschaftliche Not geraten, Zugang zu Liquiditätshilfen und nicht rückzahlbaren Zuschüssen bekommen.
- Eine befristete staatliche Haftungsfreistellung von 100 Prozent und die zeitweise Aussetzung der bankenaufsichtsrechtlichen Basel I – III-Vorschriften, damit unverschuldet durch die Krise in Not geratene Unternehmen die in Aussicht gestellten Förderkredite tatsächlich in Anspruch nehmen können.
Darüber hinaus muss dringend die aktuell bestehende Lücke in den Hilfen für Unternehmen zwischen 11 – 249 Mitarbeitern durch ein zusätzliches Hilfspaket in Form von Sofortzahlungen oder Beihilfen abgedeckt werden.
Die bereits auf den Weg gebrachten Hilfsangebote der Bundesregierung greifen häufig nicht. Selbst nach der Reduzierung der Haftung der Hausbanken auf 10 Prozent bei KfW-Förderkrediten verweigern die Banken den betroffenen Unternehmen die so dringend benötigten Kredite, weil beispielsweise für die nächsten sechs Monate keine positive Fortführungsprognose gegeben werden kann und dieses auch angesichts der Ungewissheit, inwieweit eine Fortführung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie in den kommenden Monaten als notwendig erachtet wird, für Tourismusbetriebe unmöglich ist.
Das Hilfspaket für Soloselbständige und Kleinstunternehmer des Bundes greift nur bis zu zehn Mitarbeitern, der Wirtschaftsstabilisierungsfonds erst ab 250 Mitarbeitern. Beide Instrumente erfassen somit nicht den Mittelstand, der für die Tourismuswirtschaft beherrschend ist. Die Hilfen für Kleinstunternehmer wiederum greifen bei Vermietern von Ferienwohnungen in der Regel nicht. Die Hilfspakete der Länder gehen zwar zum Teil über das Angebot des Bundes hinaus und stehen in einigen Bundesländern auch Unternehmen mit mehr als zehn Mitarbeitern offen, wir stehen aber einem föderalen Flickenteppich gegenüber: Längst nicht alle Betroffenen haben einheitlich Zugang zu der dringend benötigten Finanzhilfe.
Es muss dringend Abhilfe geschaffen werden: Unsere Unternehmen stehen kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. Es droht das massenhafte Sterben von Ferienhausagenturen und Vermittlungsportalen. Wenn die Politik jetzt nicht angemessen reagiert, wird es in den kommenden Jahren keinen Deutschlandtourismus in seiner bisherigen Vielfalt mehr geben.
Wirtschaftliche Bedeutung des Ferienhaustourismus:
Mehr als 100 Millionen Übernachtungen pro Jahr werden auf dem Ferienhausmarkt in Deutschland getätigt, davon etwa 30 Prozent in gewerblichen und 70 Prozent in privaten Ferienwohnungen. Ferienhausurlauber generieren einen jährlichen Umsatz von mehr als 10 Mrd. Euro. Davon entfallen fünf Milliarden Euro auf Übernachtungskosten, mit 4 Mrd. Euro partizipieren lokale Gastronomie und der Einzelhandel von den Einnahmen durch die Ferienhausgäste (Studie FeWo-direkt mit der Universität Passau). Dabei findet Ferienhaustourismus nicht nur in Tourismusorten und den Städten statt, sondern vor allem auch im ländlichen, strukturschwachen Raum. Sollte es zu massenhaften Insolvenzen und Geschäftsaufgaben kommen, hätte das eine massive negative Wirkung auf die regionale Wirtschaft und auf eine der beliebtesten Urlaubsformen in Deutschland.
Wir sind der Überzeugung, dass die aufgeführten Vorschläge für alle Beteiligten angesichts der aktuellen Situation eine gute Lösung darstellen, die dringendsten Probleme zu beheben. Der Tourismus in Deutschland stellt einen bedeutenden Wirtschaftsfaktor dar, der bis zur Corona-Krise für Wachstum und Beschäftigung gesorgt hat und nun ohne eigenes Verschulden in Not geraten ist. Eine der größten Stärken des Deutschlandtourismus ist seine Vielfalt und diese ist akut bedroht. Es ist auch nicht im Sinne der Verbraucher, wenn es massenhaft zu Insolvenzen und einem Unternehmenssterben kommt.