Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMJV: Entwurf eines Gesetzes über die Insolvenzsicherung durch Reisesicherungsfonds und zur Änderung reiserechtlicher Vorschriften
Der Deutsche Ferienhausverband vertritt als größter Branchenverband die Interessen der Ferienimmobilienbranche in Deutschland. Unter den Anbietern auf dem Ferienwohnungsmarkt befinden sich Veranstalter, die in ihrem Portfolio Pauschalreisen mit Beherbergung in Ferienhäusern oder -wohnungen anbieten oder die die Vermittlung als Einzelreiseleistung freiwillig absichern. Gerne möchten wir deshalb zu dem vorliegenden Gesetzentwurf zur Insolvenzsicherung folgende Stellungnahme abgeben.
Vorbemerkung
Wir bitten um Verständnis, dass diese Stellungnahme keine abschließende und umfassende Bewertung sein kann. Der vorliegende Entwurf lässt noch etliche Fragen offen, weil Informationen oder Regelungen fehlen oder breiten Deutungsspielraum zulassen. Zudem lässt die eingeräumte Frist zur Stellungnahme von nur zwei Tagen nicht zu, alle Aspekte mit der nötigen Sorgfalt zu überprüfen, innerverbandlich zu erörtern und zu bewerten.
Angesichts der hohen Relevanz des Gesetzesgegenstands für die Branche und der teils grundlegenden Fragen, die sich uns nach Lektüre des Entwurfs stellen, möchten wir – in Abstimmung mit allen anderen betroffenen Verbänden des Aktionsbündnisses Tourismusvielfalt – anregen, dass BMJV und BMWi zeitnah eine Informationsveranstaltung für die betroffenen Verbände anbieten, um die offenen Fragen zu klären und die Verbände in die Lage zu versetzen, umfassend Stellung zu beziehen und wertvollen Input zu leisten.
Stellungnahme
Der Deutsche Ferienhausverband begrüßt ausdrücklich, dass nunmehr eine Regelung der Insolvenzsicherung bei Pauschalreisen vorgelegt wurde, die für eine krisensichere und nachhaltige Kundengeldabsicherung sorgen und zugleich zu einem gerechteren Lastenausgleich zwischen Anbietern unterschiedlicher Größe und zugleich einer hohen Sicherheit für den Konsumenten führen soll. Wir bewerten den vorliegenden Ansatz einer privatwirtschaftlichen Lösung in Form einer GmbH als zielführend und richtig. Nichtsdestotrotz stellen sich etliche Fragen.
Beiträge, Sicherheitsleistungen und Zielsumme
Die Reisebranche ist in erheblichem Maße von den Folgen der Corona-Pandemie betroffen. Lockdowns, Beherbergungsverbote, Grenzschließungen, Quarantänen und andere Hürden, die das touristische Reisen derzeit weitgehend unmöglich machen, haben zu bislang beispiellosen Umsatzeinbrüchen geführt. Ein solch ambitioniertes Vorhaben wie den Reisesicherungsfonds in einer solchen Situation anzugehen, stellt schon in einer wirtschaftlich gesunden Lage eine Herausforderung dar. Umso mehr gilt das in der aktuellen Situation.
Die Zielsumme des Fonds beträgt 750 Millionen Euro. Diese soll bis zum 31.12.2026 erreicht werden. Das stellt die betroffenen Unternehmen vor enorme Herausforderungen. Ein vergleichbares Modell in den Niederlanden wurde unter ungleich besseren wirtschaftlichen Bedingungen über einen erheblich längeren Zeitraum, 20 Jahre, realisiert. Wir halten es deshalb für sinnvoll, eine deutlich längere Zeitspanne, nämlich 20 Jahre vorzusehen, bis der Fonds seine Zielsumme erreicht haben soll, um die Branche nicht zu überfordern. Es wäre am Ende auch nicht zielführend, wenn deutsche Anbieter Reisen mit einem deutlichen Preisaufschlag verkaufen müssten, um die zusätzlichen Verpflichtungen zu erfüllen, und damit der internationale Wettbewerb verzerrt würde.
Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Unternehmen die Kundengeldabsicherung zu Konditionen vornehmen können, die für sie finanziell realisierbar sind. Eine Sicherheitsleistung von sieben Prozent des Umsatzes übersteigt die derzeitigen Versicherungskosten bei einem Insolvenzversicherer erheblich. Auch der zu erbringende Beitrag von einem Prozent des Umsatzes liegt ein Vielfaches über der durchschnittlichen Versicherungsprämie für Reiseveranstalter. Ein solcher Anstieg der Kosten für die Insolvenzabsicherung wäre selbst ohne die Auswirkungen der Pandemie für viele Unternehmen schwer zu bewältigen. Wir schlagen vor, zu Beginn die Sicherheitsleistung auf 3 Prozent festzuschreiben und das Entgelt mit 0,5 Prozent vom Umsatz zu bemessen. Langfristig sollten Zielgröße des Fonds, Entgelte und Sicherungsleistungen aber durch die Organe der GmbH gemäß der Marktentwicklung angepasst werden.
Wir geben diesbezüglich außerdem zu bedenken, dass Reiseveranstalter mit Sitz im Ausland anderen, u. U. günstigeren Absicherungspflichten unterliegen. Dieser kann zu einer Wettbewerbsverzerrung zu Lasten der inländischen Anbieter führen. Auch das ist ein Argument, die Bemessung des Beitrags und der Sicherungspflichten moderat zu gestalten, um die Wettbewerbsfähigkeit inländischer Unternehmen zu erhalten.
§5 Fehlender Kontrahierungszwang für kleine und mittelständische Anbieter sowie Anbieter verbundener Reiseleistungen
Ausdrücklich zu begrüßen ist, dass Unternehmen mit einem Umsatz von unter 3 Millionen sowie Anbietern verbundener Reiseleistungen Wahlfreiheit eingeräumt wird, ob sie ihre Produkte über den Reisesicherungsfonds oder wie zuvor über eine Versicherung bzw. Kreditinstitut absichern wollen. Es wäre jedoch ggf. sinnvoll, diesen Schwellenwert höher anzusetzen. Allerdings sieht der Entwurf für diese Anbieter keinen Kontrahierungszwang vor. Es ist nicht auszuschließen, dass sich weitere Versicherer vom Markt der Reiseinsolvenzversicherung zurückziehen. Dies könnte dazu führen, dass Versicherungsverträge nur noch zu unvorteilhaften Konditionen abgeschlossen werden können oder aber dass Unternehmen im schlimmsten Fall gar nicht mehr in der Lage sein werden, ihre Produkte auf diesem Weg abzusichern. Deshalb halten wir es für geboten, dass der Kontrahierungszwang des Reisesicherungsfonds auf alle Anbieter von Pauschalreiseleistungen unabhängig vom Umsatz und auf Anbieter verbundener Reiseleistungen ausgeweitet wird.
§ 5 Berechnung von Sicherheitsleistungen und Beiträgen für Anbieter verbundener Reiseleistungen
Aus dem Gesetzentwurf geht nicht klar hervor, welcher Teil des Umsatzes für Anbieter verbundener Reiseleistungen für die Berechnung von Sicherheitsleistung und Beitrag herangezogen wird. Der Entwurf legt nahe, dass die gesamten Umsätze aus verbundenen Reiseleistungen zugrunde gelegt werden müssen. Gemäß § 651w Abs. 3 BGB ist eine Absicherung aber nur dann erforderlich, wenn ein Vermittler verbundener Reiseleistungen Zahlungen entgegennimmt oder sich selbst zur Beförderung des Reisenden verpflichtet hat. Hier sollte eine Klarstellung erfolgen, dass sich der Beitrag nur an dem Teil des Umsatzes orientiert, der von einem Vermittler verbundener Reiseleistungen tatsächlich abgesichert werden muss.
§ 13 Aussetzung des Kontrahierungszwangs
Es stellt sich des Weiteren die Frage, nach welchen Kriterien der Kontrahierungszwang ausgesetzt werden kann. In der Gesetzesbegründung zu § 13 (Seite 38) heißt es zum Kontrahierungszwang: „Dies gilt jedoch nicht schrankenlos. Der Reisesicherungsfonds muss keine Reiseanbieter absichern, die ihm ein unzumutbares Risiko auferlegen und eine erhebliche Belastung des Fondsvermögens in absehbarer Zukunft nahelegen.“ Zwar ist nachvollziehbar, dass der Reisesicherungsfonds davor geschützt werden soll, unzumutbare Risiken zu übernehmen, die mit unkalkulierbaren Belastungen für alle einzahlenden Unternehmen verbunden wären. Dennoch sollte definiert werden, welche unzumutbaren Risiken konkret gemeint sind.
§ 8 Ausgestaltung der GmbH
Die Regelungen für die noch zu gründende GmbH, die die Geschäfte des Reisesicherungsfonds führen soll, bleiben vage. Dem Entwurf ist weder zu entnehmen, wer die Gesellschafter der GmbH sein werden, wie diese zusammengesetzt sein werden und oder wie hoch das Stammkapital sein soll.
Es findet sich auch keine Kostendeckelung für Verwaltungsausgaben wie Sach- und Personalaufwand oder eine Vergütung für die Mitglieder der Organe des Reisesicherungsfonds. Es liegt aber im Interesse der einzahlenden Unternehmen, dass eine unnötige Belastung vermieden wird, indem Verwaltungskosten möglichst geringgehalten werden.
Das Gesetz sollte klare Regelungen zur Zusammensetzung der Gesellschafter und zum Stammkapital sowie eine Deckelung der Verwaltungskosten enthalten. 4
§ 9 Zusammensetzung und Kompetenzen des Beirats
Der Referentenentwurf sieht einen Beirat vor, der die Geschäftsführung des Reisesicherungsfonds unterstützt und berät. Das Gremium soll verschiedene Interessengruppen angemessen berücksichtigen und sich aus Vertretern von Bund und Ländern, der Tourismusbranche und der Verbraucher zusammensetzen. Weder Mindest- noch maximale Größe des Beirats werden festgelegt. Ebenso wenig wird festgelegt, wie die Vertreter bestimmt werden oder wie die anteilige Zusammensetzung gestaltet sein soll. Der Begriff „angemessen“ ist unkonkret und kann höchst unterschiedlich ausgelegt werden. Auch fehlen Angaben, welche Anforderungen an die Neutralität bzw. Unabhängigkeit der Beiratsmitglieder gestellt werden.
Nicht zuletzt ist sind Aufgabenfeld und Kompetenzen des Beirats nicht klar definiert bzw. werfen Fragen auf. Ebenso wenig ist klar, ob die Tätigkeit im Beirat vergütet wird und wenn ja, in welchem Umfang. Nach unserer Auffassung sollte im Gesetz festgelegt werden, wie viele Mitglieder der Beirat mindestens bzw. maximal haben soll, wer die Mitglieder bestimmt, wie diese gewählt und ggf. vergütet werden. Es bedarf außerdem einer genauen Aufgabenbeschreibung der Rechte und Kompetenzen des Beirats. Eine rein beratende Tätigkeit macht dieses Gremium aus unserer Sicht zu einem „zahnlosen Tiger“. Der Beirat sollte ein Mitbestimmungs- oder Vetorecht insbesondere in Fragen der Beitragsordnung, Budgetierung und Zusammensetzung haben.
§ 5 Zielkapital
Das Zielkapital wird basierend auf den Umsätzen der Reiseanbieter, die ihren Sitz im Inland haben, bemessen. Es stellt sich die Frage, ob nicht vielmehr bei der Bemessung auf die Umsätze im Inland abgestellt werden sollte, um auch Firmen mit Sitz im Ausland zu erfassen, die auf dem deutschen Markt Umsätze erzielen. Dies könnte auch eine Wettbewerbsverzerrung wie oben erwähnt verhindern. Unklar ist, was geschieht, wenn der Fonds sein Zielkapital erreicht hat und neue Unternehmen ihre Geschäfte aufnehmen. Es bestünde die Gefahr, dass ein neuer Marktteilnehmer im Falle einer Insolvenz keine Beiträge in den Reisesicherungsfonds eingebracht hat. Alle Forderungen, die über die eigene Sicherheitsleistung hinausgehen, müssten dann von den „Alt“unternehmen getragen und der Fonds auch durch diese wieder aufgefüllt werden. Hier ergibt sich eine Ungleichbehandlung und Missbrauchspotenzial. Gleichzeitig stellt sich auch die Frage, was geschieht, wenn ein Unternehmen sich vom Markt zurückzieht. Werden die geleisteten Zahlungen dann ganz oder teilweise wieder ausgeschüttet oder verbleibt die eingezahlte Summe im Fonds?
§ 5 Unterschiedliche Behandlung von umsatzstärksten und mittelständischen Reiseanbietern 5
Es ist für uns nicht ersichtlich, wieso in § 5 Abs. 4 zwischen dem umsatzstärksten Reiseanbieter und Reiseanbietern mittlerer Größe unterschieden wird. Es ist nicht auszuschließen, dass sich daraus eine Ungleichbehandlung und eventuelle Benachteiligung mittelständischer und kleiner Anbieter ergeben könnte. Hier wäre eine über die Ausführungen im Begründungsteil hinausgehende Erläuterung vonnöten.
Übergangsfrist zwischen Inkrafttreten des Gesetzes und Haftungsübernahme durch Reisesicherungsfonds
Das Gesetz soll zum 01.07.2021 Inkrafttreten. Gleichwohl soll die Haftungsübernahme durch den Reisesicherungsfonds erst zu einem Zeitpunkt nach dem 31.10.2021 erfolgen. Daraus ergibt sich eine Absicherungslücke für Unternehmen, deren Versicherungsverträge vor dem 31.10.21 auslaufen. Hier sollte eine Regelung getroffen werden, dass die Haftungsübernahme gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01.07.2021 einsetzt.
Wir hoffen, dass unsere Ausführungen auf Ihr Interesse gestoßen sind. Gerne stehen wir für den weiteren Austausch zur Verfügung.